Dienstag, 15. Juli 2014

Fußballweltmeisterschaft. It was just a game! Es war bloß ein Spiel. Football es solo un juego!

 

Der eine gewinnt, der andere verliert. So war es immer und so wird es immer sein. Obwohl ich mich für Fußball nicht so sehr interessiere, hat mich der Fieber und die Leidenschaft  dafür diesmal gepackt. Man hat immer geteilte Gefühle. Alles ist schön und gut, wenn Deutschland gegen eine ausländische Mannschaft  spielt. Dann weiß ich ganz genau, wer gewinnen soll, aber dass  bei dem Finale Deutschland gegen Argentinien spielen musste, steckte mir ein ein Kloss im Hals. Mit großer Aufregung verfolgte ich die Spieler mit den weißen Trikots aber auch mit den blauen . . . und ich konnte mich wirklich nicht entscheiden. Meine Philosophie: die beste Mannschaft soll gewinnen. Und so war es die beste hat gewonnen: Deutschland. Die argentinische Mannschaft tat mir sehr leid, denn sie haben absolut alles in ihrer Macht getan und sie haben ihr Bestes herausgebracht. Aber es sollte nicht sein.

Das Finale von Sonntag ließ mich an  ein Werk von Stefan Zweig zu denken, “Die Sternstunden der Menschheit”. Zweig schreibt: Solche dramatisch geballten, solche schicksalsträchtigen Stunden, in denen eine zeitüberdauernde Entscheidung auf ein einziges Datum, eine einzige Stunde und oft nur eine Minute zusammengedrängt ist, sind selten im Leben eines Einzelnen und selten im Laufe der Geschichte. […] Ich habe sie so genannt, weil sie leuchtend und unwandelbar wie Sterne die Nacht der Vergänglichkeit überglänzen.“ In seiner Erzählung “Der Kampf um den Südpol”  erzählt er von Robert Scotts tragisch gescheiterter Südpol-Expedition. Als Scott am 16. Januar 1912 den Pol erreicht, muss er feststellen, dass er nur Zweiter ist. Vor ihm war schon der Norweger Ronald Amundsen am Südpol. Zweig beschreibt den Mann als Sinnbild des zu spät Gekommenen und dessen tragischen Tod „in einer Menschheit, für die der erste alles ist und der zweite nichts“.

Aber Schluss mit Poesie. Es war tatsächlich ein spannendes Spiel und ich freue mich sehr, dass Deutschland  es  gewonnen hat. Mit großem Vergnügen habe ich auch die Bundeskanzlerin Merkel und  den Präsidenten Gauck in der Tribüne gesehen. Ich vermisste aber die argentinische Präsidentin Kirchner, die nicht anwesend war, um ihre Nationalmannschaft mit ihrer Präsenz anzuspornen. Mir schien, die argentinischen Mannschaft sei ein bisschen verlassen gewesen, einerseits die Brasilianer, die als lateinamerikanisches Nachbarland gegen uns waren, zeigend damit eine große lokale Illoyalität, andererseits, weil sie als Gastland  die Eintrittskarten für das Finale an Argentinier nicht mehr verkaufen wollte, damit es weniger Fans im Stadion gab. Aber das ganze ist vollkommen irrelevant. Hinter uns ein Monat mit Fußball, mit der Illusion  das Finale zu gewinnen. In der Zeit vieles Wichtigeres wurde zugedeckt mit der Narkose der Leidenschaft der Massen: Fußball, Fußball, aber dahinter steckt immer noch die Stigma  des Default, des Bankrotts, der sideral Auslandsschuld, der  fast Hyperinflation, der steigenden Armut, Kriminalität und Unsicherheit, der Korruptionsaffäre des Vizepräsidenten Amado Boudau, gegen ihn wird ein Prozess geführt. Man wird mich fragen, wenn ich alles so sehe, warum wandere ich nicht aus? Warum sollte ich? Ich bin hier geboren und wenn alle Menschen, die so denken wie ich auswandern würden, das Land bliebe halb leer. Man soll hier bleiben und mit Patriotismus weiter hart kämpfen, um diese Gesellschaft zu verbessern.

Mit großer Bestürzung mussten wir mitansehen, dass eine Veranstaltung am Sonntag, die mit festlichem Sinn und großer Freude angefangen hat, endete mit Gewalt  und Plünderungen aller Art. Kaputte Bushaltestellen, Straßen, Geschäfte, Autos, Ausplünderungen. Der Grund dafür war bestimmt nicht der zweite Platz von Argentinien. Die Randalierer haben es nicht aus Frust  angestellt. Wie krank ist ein Teil unserer Gesellschaft und in absehbarer Zeit werden manche Individuen nicht geheilt werden können. Davor bange ich mich sehr.

Gestern sagte mir ein Student , es sei nur  ein kleiner Teil der Gesellschaft, die so eskaliert hat, und die Medien haben alles  noch schlimmer  gemacht, als es war. Darauf antwortete ich, man dürfte die Sache nicht minimisieren, denn so fängt die Anarchie an.

Argentinien ist ein wunderschönes Land, reich an Bodenschätze, Rohstoffe, gute Menschen. Wir sind nicht alle so. Schließlich wurde ein Argentinier zum Papst gewählt. Der Papst von Ende der Welt, woher ich nun schreibe.

Aus dem Tagebuch einer Autorin, die sich  für den Sieg Deutschlands auch  gefreut hat.