Freitag, 24. Oktober 2014

"Es gibt nur böse und gute Menschen"

 

"Ich war von Emilies Zivilcourage schwer beeindruckt!" Damit leitete die Professorin Erika Rosenberg aus Buenos Aires ihren Vortrag am Mörike Gymnasium ein. Erkennbar bewegt berichtete die, vom stellvertretenden Schulleiter Hans-Dieter Mayer, eingeladene Historikerin wie sie Anfang der 90er Jahre Emilie Schindler kennenlernte. Die tiefe Freundschaft, die sich zwischen den beiden Frauen entwickelte, habe sie in zweifacher Hinsicht beeinflusst, erklärte Rosenberg den Schülern der Kursstufe. Zum einen habe damit für sie persönlich eine Zeit der Versöhnung begonnen, denn ihre Eltern waren 1936 als deutsche Juden vor der NS-Verfolgungspolitik nach Argentinien geflohen. Zum anderen inspirierten sie die intensiven Gespräche mit Emilie zu ihren beiden Biographien über Oskar und Emilie Schindler.

Mit ihren persönlichen Schilderungen hatte Erika Rosenberg die Schüler schnell für die beiden Hauptpersonen ihres Vortrags eingenommen. Dass der Kognak und Frauen zugeneigte Oskar und die sehr katholische, fromme und arbeitsame Emilie sich verliebten, heirateten und nachher zu Charakteren reiften, die über 1200 Juden das Leben retteten, fesselte die jungen Zuhörer. Wie es den Schindlers gelingt, durch geschickte Organisation und Bestechung die jüdischen Mitarbeiter ihrer Fabrik vor dem sicheren Tod in den Vernichtungslagern zu schützen, ist vielen aus dem Kinofilm "Schindlers Liste" bekannt. Leider, erklärte Erika Rosenberg, tauche in dem Film Emilie nur als Nebenrolle auf. Dabei habe sie einen zentralen Anteil an der Rettung der Juden gehabt. Sie berichtete eindringlich, wie Emilie schon sehr früh Anteil am Schicksal der Juden in den besetzten Gebieten nahm. Einer schwangeren Jüdin, was unter den Umständen im Arbeitslager einem Todesurteil gleichkam, verhalf sie beispielsweise entgegen ihrer katholischen Überzeugungen heimlich zu einem Schwangerschaftsabbruch. Besonders wichtig war ihr, den Schülern Emilies Motive für diese vielfältige Hilfe darzulegen. Immer wieder habe sie diese gefragt, warum sie das alles gemacht und ob sie denn keine Angst gehabt habe. Es war einfach unerträglich zu sehen, dass Menschen wie Tiere behandelt wurden, sei Emilies Antwort gewesen. In Abwesenheit ihres Mannes rettete sie Juden vor dem Abtransport ins KZ und pflegte selbst die Kranken und Verwundeten. Nach dem Krieg, erzählte Rosenberg weiter, gingen die vormals so reichen Schindlers nach Argentinien und lebten unterstützt von einer jüdischen Organisation ein bescheidenes Leben. Einer der am meisten bewegenden Augenblicke in der Freundschaft mit Emilie sei gewesen, als diese anlässlich eines Dinners zur Premiere von "Schindlers Liste", von Überlebenden erkannt und überschwänglich und tränenreich begrüßt worden sei. Das mache es so schade, erklärte sie auf Nachfrage von Schülern, dass Spielberg ihre Rolle im Film so wenig gewürdigt habe. Ihre einfache Menschlichkeit macht Emilie und alle weiteren 32 Helfer für Erika Rosenberg zu Helden. Dass die furchtbaren Verbrechen, aber auch die Zivilcourage und Hilfe einzelner und speziell Emilie Schindlers niemals vergessen werden, sei ihr wichtig. "Es gibt für mich keine Staatsangehörigkeiten", ist schlussendlich eine ihrer zentralen Botschaften an die Schüler, "sondern einfach nur böse und gute Menschen."