Mittwoch, 30. September 2015

Kirchenzeitung Linz

6 Thema 1. Oktober 2015 KirchenZeitung Diözese Linz
Eine jüdische Argentinierin stellt ihren
Landsmann, den Papst, vor
Der Mann hat Mut
Dass ein Bischof in der Kathedrale
ihrer Heimatstadt Buenos
Aires eine Gedenktafel für die
Opfer des Holocaust und von
Anschlägen auf jüdische Einrichtungen
anbringen lassen
würde, war für Erika Rosenberg
mehr als eine Überraschung.
Das hätte die Jüdin, deren Eltern
gerade noch rechtzeitig
Deutschland verlassen konnten,
von einem Vertreter der
katholischen Kirche nicht
erwartet. Als sie besagten
Bischof – Jorge Bergoglio –
Ende der 1990er Jahre zufällig
einmal in der UBahn
trifft, spricht sie ihn
an. Sie fragt ihn, ob eine
Annäherung zwischen Juden
und Christen möglich sei, nach
all dem, was in der Geschichte
geschehen ist. „Da hat er mich
am Arm gefasst und gesagt: ,Ein
guter Christ ist kein Antisemit.‘
Das hat mich so berührt und getröstet.
Seither schätze ich ihn.“
Begegnungen. Mehr als ein
Jahrzehnt hatte die Dolmetscherin
und Journalistin dann keinen
persönlichen Kontakt mehr
zu Erzbischof Bergoglio, verfolgte
aber sein bemerkenswertes
und oft ungewöhnliches Engagement,
besonders seine Beziehung
zu dem führenden Rabbiner
des Landes. Als Bergoglio im
März 2013 zum Papst gewählt
wurde, entschloss sich Rosenberg,
eine Biografie über den ehemaligen
Erzbischof zu schreiben.
Sie klapperte Verwandte, Freunde,
die Priester in den Armenvierteln
und Weggefährten ab. So
ist ein Buch entstanden, das den
Menschen Bergoglio in seiner
Heimatstadt zeigt, vor allem seine
Fähigkeit, anderen – Armen,
Prostituierten, Drogenabhängigen,
Menschen anderer Religion,
Bettlern oder Bürgermeistern
– auf Augenhöhe und würdevoll
zu begegnen. Die Erzählungen
von diesen Begegnungen bilden
das Rückgrat des Buches. Nach
den vielen Gesprächen ist sich
Rosenberg absolut sicher: „Wie
Bergoglio auf die Menschen zugeht,
sie umarmt, küsst – das ist
keine Show. Das ist ganz er selbst,
ein durch und durch ehrlicher
Mensch.“
Und noch etwas ging ihr bei den
Recherchen auf. „Der Mann hat
Mut. Der fürchtet sich vor gar
nichts.“
Kürzlich hat sie den Papst, der sie
inzwischen ganz gut kennt, gefragt,
wie er das alles schafft, was
an Anforderungen auf ihn zukommt.
„Es gibt Momente zum
Aushalten und Momente zum
Kämpfen“, hat er mir geantwortet:
„Ich weiß, dass er weiß, wann
was an der Reihe ist.“
JOSEF WALLNER
XX Schindlers Liste. Erika
Rosenberg hat eine Ausstellung
über Emilie und Oskar Schindler
gestaltet, die bis Dezember 2015 in
OÖ zu sehen ist. Siehe Seite 27
Als ich mit dem Papst U-Bahn
fuhr. Jorge Bergoglio aus
Buenos Aires, Erika Rosenberg,
München 2015, € 20,60.


 

Oberösterreich 27
KirchenZeitung Diözese Linz 1. Oktober 2015

„Eine Ausstellung erinnert an Emilie Schindler, die weithin unbekannte Frau Oskar Schindlers
Die Frau in Schindlers Schatten
„Schindlers Liste“ von Star-Regisseur Steven Spielberg hat Oskar Schindler, den Retter von 1200 Juden, weltberühmt gemacht. Der Beitrag seiner Frau Emilie geht darin unter. Zu Unrecht, wie die jüdische Journalistin Erika Rosenberg zeigt.
JOSEF WALLNER
Den 22. Juni 1990 wird Erika Rosenberg nie vergessen. An diesem Tag hat sie das erste Mal Emilie Schindler besucht. Das hat ihr Leben verändert. Seither fühlt sie sich verpflichtet, den Einsatz von Emilie Schindler nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dabei war die erste Begegnung ein Schock. Rosenberg traf – in einem Dorf, 60 Kilometer von Buenos Aires entfernt – auf eine alte, vereinsamte und verarmte Frau, die in einem kleinen Haus mit kahlen Wänden und kaputten Möbeln inmitten unzähliger Katzen lebte. Die beiden Frauen haben sich angefreundet und Rosenberg wurde für Emilie Schindler bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 zu einer unentbehrlichen Begleiterin.
Steven Spielbergs Film stellt Oskar Schindler in den Mittelpunkt, die Realität aber war anders, erzählt Rosenberg. Emilie, Oskars Frau, war es, die die Klagen der Zwangsarbeiter und der jüdischen KZ-Häftlinge, die in ihrer Fabrik schufteten, hörte und sich berühren ließ: Sie besorgte heimlich Medikamente, ließ Brillen reparieren, die SS-Aufseher zerschlagen hatten, und vieles mehr. Emilie begann zu helfen und ihr Mann machte mit. Der Rest ist bekannt. Über ihre Motivation hat Emilie Schindler wenig gesprochen. „Sie konnte einfach nicht wegschauen und er auch nicht. Sie hat es einfach getan – trotz aller Gefahren“, sagt Rosenberg: Mit ihrem Glauben hat Emilie Schindler das Engagement nie in Zusammenhang gebracht. Sie war streng römisch-katholisch und ließ sich deswegen auch nie von ihrem Mann Oskar scheiden, obwohl sie ab 1957 nicht mehr zusammenlebten, weiß ihre Biografin Rosenberg, die wiederum über den Grund ihres Einsatz für Emilie erklärt: „Nicht weil sie Juden, sondern weil sie Menschen gerettet hat, schätze ich sie. Das darf nicht verloren gehen.“
Die Ausstellung. Die Ausstellung „Emilie und Oskar Schindler“ ist bis 15. Oktober im Bildungszentrum St. Franziskus (Ried), dann im Haus der Frau (Linz), anschließend im Dominikanerhaus Steyr und im Maximilianhaus in Puchheim bis 15. Dezember zu sehen.
XX
Termine und Veranstaltungen: www.dioezese-linz.at/news/2015/