Montag, 12. Oktober 2015

Vortrag im Gymnasium Ramstein-Miesenbach

Nr. 41 - Donnerstag, 8. Oktober 2015
Amtsblatt der Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach
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Vortrag am Reichswald-Gymnasium: Emilie Schindler - Das Leben einer „unbesungenen Heldin"
Die Geschichte von Emilie und Oskar Schindler konnten die Schüler des Reichswald-Gymnasiums am vergangenen Dienstag sehr lebendig mitverfolgen. Berühmt wurde das Ehepaar durch die Hollywood-Verfilmung „Schindlers Liste" von Stephen Spielberg. Zu Gast in Ramstein war Frau Professor Erika Rosenberg, die weltweit bekannte Biographin von Oskar und Emilie Schindler, die mit ihrem beispiellosen persönlichen Einsatz in der Zeit des Nationalsozialismus das Leben hunderter Juden retten konnten. Ermöglicht und finanziert hat diesen sehr besonderen und bewegenden Vortrag der Landkreis Kaiserslautern unter der Federführung von Frau Dr. Georgia Matt-Haen, der die Schulgemeinschaft des Reichswald-Gymnasiums auf diesem Weg noch einmal sehr herzlich dankt.
Im Zentrum stand besonders das Leben von Emilie Schindler, die in der öffentlichen Erinnerung und Würdigung stets im Schatten ihres Gatten hat stehen müssen, obwohl sie und ihr Mann sich immer gemeinsam um die Rettung jüdischer KZ-Häftlinge gekümmert hatten. Auf die Welt gekommen ist Emilie Schindler 1907 im österreichisch-mährischen Alt-Moletein als. Tochter einer sehr wohlhabenden und alteingesessenen Bauernfamilie. Nach ihrer Hochzeit mit Oskar Schindler begann für Emilie ein Leben an der Seite eines nicht einfachenMenschen. Der begeisterte Motorradfahrer Oskar Schindler galt schon seinem Schwiegervater als
sprunghafter Lebemann, der das ausschweifende Leben und den engen Kontakt zu anderen Frauen suchte. Als junges Ehepaar erlebten die Schindlers eine Zeit, in der die nationalistisch orientierte, noch sehr junge tschechische Republik die deutsche Bevölkerung Böhmens und Mährens immer neuen Repressalien ausgesetzt hatte. Mit Begeisterung nahm Oskar Schindler schließlich das aus einer zufälligen Begegnung heraus an ihn herangetragene Angebot an, für die „Abwehr" zu arbeiten. Die „Abwehr" war der militärische Geheimdienst der Reichswehr und später der Deutschen Wehrmacht. Sie hatte die vordringliche Aufgabe, ausländische Agenten zu enttarnen. Geleitet wurde die Abteilung von Ädmiral Wilhelm Canaris, anfangs ein glühender Nationalsozialist, der später zu einem Widerstandskämpfer gegen Hitler werden sollte und der im April 1945 im KZ Flossenbürg gemeinsam mit Dietrich Bönhoeffer hingerichtet wurde. Durch seine Agententätigkeit baute Schindler Kontakte zu führenden Nationalsozialisten auf. Er nutzte seine Beziehungen, um nach der Eroberung Polens zu einem günstigen Preis eine sehr profitable Emailfabrik in Krakau zu erwerben. Nachdem der zur nächst rein opportunistisch agierende Schindler immer mehr Einblick in den Umgang der Nationalsozialisten mit der jüdischen Bevölkerung erhalten hatte, mutierte erzürn Widerstandskämpfer. Er baute seine glänzenden Kontakte zu den Machthabern in Partei und SS immer weiter aus und nutzte deren Empfänglichkeit für Schmiergelder und besondere Zuwendungen anderer Art. Emilie Schindler, eine überzeugte und praktizierende Katholikin, nutzte dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel aus, um das Leben möglichst vieler Juden, die im benachbarten Konzentrationslager untergebracht waren, zu retten.
Die Schindlers bedienten sich gezielter Urkundenfälschungen, unwahrer Angaben, fingierter amtlicher Briefe und nutzten die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Schwarzmarktes. Sie riskierten ihr eignes Leben, um hunderte jüdische KZ-Häftlinge vor der Ermordung in den Vernichtungslagern zu retten. Hierzu hatten Oskar und Emilie Schindler eine Liste erstellen lassen, auf der die Namen hunderter angeblich „unverzichtbarer" und „unbedingt kriegswichtiger" jüdischer Arbeiter aufgeführt waren. Nur mit Hilfe der immensen parteiinternen Korruption und dank seiner persönlichen Beziehungen konnte das Ehepaar Schindler einer Verhaftung und Hinrichtung.entgehen.
Nach dem Krieg musste Emilie Schindler weiter unter dem unsteten Lebenswandel eines ihr immer wieder untreuen Ehemannes leiden. Seit dem Jahr 1961 lebte das Ehepaar räumlich getrennt. Oskar Schindler starb völlig verarmt im Jahr 1974 und wurde in Jerusalem begraben. Seine Frau Emilie lebte weiter alleine in Argentinien. Ohne finanzielle Mittel und völlig vereinsamt lernte sie Anfang der 1990er Jahre Erika Rosenberg kennen, die selbst aus einer jüdisch-deutschen Familie stammt, die. 1936 aus Deutschland fliehen musste. Nach vielen ausführlichen und intensiven Gesprächen und jahrelangem Kontakt hat Erika Rosenberg den Nachlass von Emilie Schindler für die Nachwelt bewahrt und zugänglich gemacht. Sie hat mehrere wichtige Werke über das Ehepaar Schindler verfasst und herausgegeben. Frau Professor Rosenberg arbeitet im argentinischen Auswärtigen Amt und ist Dozentin am Goethe-Institut sowie an der Katholischen Universität Buenos Aires. Sie kümmerte sich um die Betreuung und Versorgung von Emilie Schindler und erfüllte schließlich ihren sehnlichen Wunsch, das Lebensende in Deutschland verbringen zu dürfen. 2001 starb Emilie Schindler im Alter von 94 Jahren in Strausberg bei Berlin. In ihrem letzten Lebensabschnitt musste sie noch miterleben, mit welch großer Taktlosigkeit und Ignoranz andere mit ihrem Leben und mit dem Leben ihres Mannes Geschäfte machten: von den gewaltigen Erlösen des cineastischen Welterfolgs „Schindlers Liste" erhielt die völlig verarmte Witwe nicht einen einzigen Cent. Und auch die nicht sehr respektvolle persönliche Behandlung, die ihr Starregisseur Steven Spielberg entgegenbrachte, lässt tiefe Einblicke in das Leben hinter den glänzenden Kulissen Hollywoods zu. Während die Schindlers ihr gesamtes Vermögen von etwa 26 Millionen Euro unter Gefährdung ihres Lebens für die Rettung ihrer jüdischen „Arbeiter" aufgewendet haben, hatten diejenigen, die das große Geschäft mit der Geschichte gemacht haben, all ihrer moralgesättigten und salbungsvollen Sonntagsreden zum Trotz für die „unbesungene Heldin" Emilie Schindler nicht einmal ein paar warme Worte übrig. Auch in, dem Film „Schindlers Liste" kommt sie nur als Randfigur vor. Auch gegen diese Ungerechtigkeit kämpft Erika Rosenberg mit ihren Werken und Vorträgen an.
Und so lässt sich aus der Erzählung der kleinen, aber ungemein aufschlussreichen und sehr berührenden Lebensgeschichte Emilie Schindlers nicht nur über die große Weltgeschichte, sondern auch über die Verhältnisse unserer eigenen Zeit Vieles lernen -abseits der grellen Scheinwerfer Hollywoods (Text: Martin Hauter, Foto: Stefan Layes).